Fabian Erlinghäuser wurde am 23. Oktober 1976 in
Köln geboren. Schon in seinen jungen Jahren wollte er Duck-Comics
zeichnen, studierte aber – genau wie »Asterix«-Zeichner
(und später auch -Autor) Albert Uderzo, welcher auch als Ansporn
dafür diente – ab 1997 am Ballyfermot College BCFE in Dublin
(Irland) Animation; dadurch versprach er sich ein besseres Training.
2000 schloss er sein Studium mit Diplom in Klassischer Animation und
Animationsproduktion ab. Im gleichen Jahr zog er nach Kilenny
(Irland), um im gerade entstandenen Studio »Cartoon
Saloon« zu arbeiten.
Die Filme »Das
Geheimnis von Kell«
(2009) und »Melodie
des Meeres«
(2014), bei denen er Animationsregie führte, wurden oscarnominiert.
Letzterer gewann zudem den Preis als bester europäischer Trickfilm.
Im Jahre 2013 begann
Erlinghäuser, für Egmont Duck-Comics zu zeichnen. Seine erste
Geschichte, die im »Micky
Maus Magazin« erschien,
war »Investieren statt
verlieren«.
Ende
dieses Jahres wird der Film »The
Breadwinner« ins Kino
kommen, bei dem er, wie üblich, Animationsregie führt.
Erlinghäuser zeichnet im
Schnitt pro Jahr nur drei Geschichten für Egmont, da die restliche
Zeit von seinem Hauptberuf als Trickfilmer eingenommen wird.
Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern
in Kilkenny und ist einer der wenigen deutschen
Disney-Zeichnern.
Ein (leicht abgeändertes) Panel aus Erlinghäusers Geschichte »Trüffel-Geschnüffel« |
Vor einiger Zeit habe ich
Erlinghäuser per E-Mail gefragt, ob es in Ordnung wäre, ihn zu
interviewen. Erlinghäuser antwortete sehr freundlich: »Gerne, kein Problem.« Ich
schickte ihm dementsprechend verschiedene Fragen, die er äußerst
ausführlich beantwortete:
Beginnen wir mal mit einer ganz originellen Frage: Was ist deine
persönliche Lieblingsfigur aus dem Duck-Universum und mit welcher
kannst du dich am besten identifizieren?
Meine Lieblingsfigur ist definitiv Donald, ich glaube, das geht
vielen Leuten so. Er ist eben so ungeschliffen, jemand wie Homer
Simpson: ein bisschen tollpatschig, redet einfach drauflos, tritt von
einem Fettnäpfchen ins nächste. Mit anderen Worten: Er ist die
Figur, der einfach die interessantesten Dinge passieren. Dagobert
finde ich sehr faszinierend als Charakter, aber identifizieren kann
ich mich nicht mit ihm, weil er am Ende des Tages für Profit seine
Großmutter verkaufen würde, im übertragenen Sinne. Daisy hat auch
viel mehr Potenzial, da würde ich mir ein bisschen mehr Tiefe
wünschen, was ihren Charakter angeht. Das kommt in vielen
Geschichten etwas oberflächlich herüber. Zudem finde ich, Mädchen
haben ein besseres Vorbild verdient als das, was Daisy meistens
abgibt. Da geht noch mehr. Die Panzerknacker gefallen mir auch gut,
die sind einfach herrlich.
Bis jetzt hast du noch nie eine Maus-Geschichte gezeichnet. Woran
liegst das? Kannst du Micky nicht gut leiden oder hast du einfach
noch nie einen Maus-Skript zugeschickt bekommen?
Ich glaube, das liegt in erster Linie daran, dass ich mich von Anfang
an mit den Enten beschäftigen wollte. Mit Micky ist das so eine
Sache. Es gibt natürlich einige tolle Geschichten mit Micky, zum
Beispiel von Romano Scarpa, mit Micky und Gamma, die fand ich super.
Doch ich finde die Ducks spannender, denn gibt es da eine familiäre
Konstellation mit Neffen, Onkeln, et cetera, die allein dadurch schon
interessante Konflikte hervorbringt. Bei Micky ist das nicht so der
Fall, da sind eher losere Seilschaften vorhanden, und damit weniger
Konfliktpotenzial.
Mickys Hauptproblem ist auch oft, dass er nicht so viele Ecken und
Kanten hat. Da geht’s ihm wie Superman – die braven Figuren haben
es schwerer, interessant zu sein.
In den 1930er-Jahren war Micky allerdings anders: In den von Gottfredson gezeichneten Strips hat Micky einen natürlicheren Charakter. Gefällt dir dieser Micky besser? Auch der Egmont-Verlag versuchte ab den 1990er-Jahren Micky für die Leser wieder interessanter zu machen. Leider kam das Experiment nicht sehr gut an, da einige Leser meinten, Micky sei nun zu unvernünftig und dämlich. Wie siehst du das?
Das habe ich vielleicht nicht so mitbekommen. Ich glaube, dass es immer eine gute Idee ist, einer Figur mehr Facetten zu geben. Auf jeden Fall wird sie dann interessanter.
Welche Comic-Zeichner haben dich besonders geprägt?
Von den Zeichnern aus den Magazinen definitiv Daniel Branca, Vicar und Carl Barks.
Aber auch in Italien gibt/gab es große Disney-Comiczeichner wie Romano Scarpa, Giorgio Cavazzano oder Massimo De Vita. Ich kann mit den Künstlern wenig anfangen, wie ist es bei dir?
Romano Scarpa ist toll, seinen Zeichenstil und seine Geschichten haben mir immer gefallen. Da war oft emotionale Tiefe dabei, was nicht so selbstverständlich ist. Cavazzano ist einfach ein Meister seines Fachs, er hat da praktisch ein eigenes Universum geschaffen, das stilistisch wunderbar funktioniert. De Vita finde ich auch gut. Aber am besten sollte man die Geschichten selbst gut finden, vom erzählerischen her, denn das ist ja die Hauptsache. So ging es mir bei Carl Barks, als ich ihn als Kind las: Diese Geschichten waren einfach so spannend und genial – da wusste ich am Anfang gar nicht, dass Barks die fabriziert hatte. Auch Branca kannte ich als Kind nicht vom Namen her, denn die Zeichner wurden damals noch nicht namentlich erwähnt. Ich wusste einfach nur, dass dieser Zeichner gut war.
Wie im Lebenslauf zu sehen ist, hast du dich auch für Comiczeichner außerhalb des Disney-Universums interessiert: Eine Motivation, Animation zu studieren war »Asterix«-Zeichner Albert Uderzo. Du hast dich also auch mit Comics außerhalb des Disney-Universum auseinandergesetzt?
Das »Micky Maus Magazin« war der erste Comicheft, das ich regelmäßig las, das fing an, als ich gerade lesen gelernt hatte, so mit sieben, acht Jahren bin ich dann voll drauf abgefahren. In der zweiten Klasse habe ich auch das »Yps«-Heft gelesen, die Gimmicks fand ich super. Zeitweise las ich auch »Fix & Foxi«, aber da habe ich irgendwie nie richtig einen Bezug zu gefunden. Damals fiel mir aber schon auf, dass der ein oder andere »Fix & Foxi«-Zeichner anscheinend auch Disney-Comics zeichnete, denn der Stil war der gleiche, zum Beispiel bei Massimo Fecchi.
»Asterix« war wie schon erwähnt auch ein sehr großer Einfluss. Die besten Geschichten sind meiner Meinung nach Ende der 1970er-Jahre entstanden. Als Goscinny dann überraschend 1977 starb, ist dann schon eine große Säule weggebrochen, und das hatte dann einen Rieseneinfluss auf die Qualität der Geschichten.
André Franquin ist ein anderer Zeichner, den ich sehr bewundere.
Alle »Gaston«-Comics
von ihm sind einfach genial, solch ein zeichnerisches Talent,
Wahnsinn! Und auch seine letzten »Spirou
und Fantasio“-Alben sind Hammer, vor allem der Band »QRN
ruft Bretzelburg«.
Dazwischen habe ich auch viele Comic-Strips gelesen, zum Beispiel
»Hägar der
Schreckliche«, oder
»Garfield«.
Später dann auch viele franko-belgische Comics wie »Isnogud«,
»Lucky Luke«,
»Percy Pickwick«
oder zeitweise sogar »Die
Schlümpfe«.
Mit amerikanischen Comics hatte ich es dagegen nie so; da hatte ich
keinen Bezug. Jetzt lebe ich in Irland, und da ist es genau
umgekehrt: Kein Mensch kennt Disney-Comics, die werden in
Großbritannien oder Irland einfach nicht veröffentlicht. Da kennen
die meisten Leute Donald nur aus den Trickfilmen der 1950er-Jahre
oder aus »DuckTales«,
der Serie aus den 1990er-Jahren. Aber amerikanische Superheldencomics
sind hier allgegenwärtig. Ein paar Freunde von mir sind solche Fans
von Marvel oder DC, die sind damit aufgewachsen und kennen sich total
aus, einer zeichnet sogar für DC.
Kannst du eine zeichnerische Entwicklung in den von dir gezeichneten Comics erkennen?
Vielleicht dauert das noch etwas. Ich finde es auf jeden Fall faszinierend, welche Entwicklung manche Zeichner machen:
Wenn dieser Punkt kommt, wo sie sich total loslösen von bisherigen
Riten und auf einmal ein Stil entsteht, der sehr frei ist, sehr
spielerisch und waghalsig. Ich glaube, jeder Künstler durchläuft
irgendwann diese Phasen. Meistens beginnt es mit einer Suche nach
einem Stil, dann kommt der Höhepunkt, wo die Mischung einfach genau
stimmt, und dann irgendwann eben dieses Loslösen mit einer
abgedrehteren Interpretation des vorherigen Stils… Das ist in der
Musik genauso: Eine Band bringt ihr erstes Album raus, da klingt
alles noch roh und ungeschliffen. Das zweite Album ist dann der
Durchbruch, die Hits, bei denen einfach alles stimmt. Das dritte
Album ist wahrscheinlich auch noch auf dem gleichen Level. Danach
will die Band dann aber vielleicht andere Wege beschreiten und macht
etwas Experimentelles, was vielleicht einigen Fans nicht so gefällt.
Diese Zyklen sind faszinierend.
War es schon einmal der Fall, dass dir eine Geschichte, welche dir Egmont zugeteilt hat, überhaupt nicht gefiel oder dass dir der moralische Wert, der in der Geschichte vermittelt wird, nicht deiner Meinung entspricht? Falls Ja, wie hast du darauf reagiert?
Gute Frage. Bisher ist das nicht passiert. Wenn ich in der Tat eine Geschichte bekäme, mit der ich moralisch Bedenken hätte, würde ich auf jeden Fall mit dem Editor sprechen. Zum Glück arbeite ich mit guten Editoren zusammen, Stephan Prins-Pahlsson in der Regel, und er ist schon so lange dabei, dass er genau weiß, was funktioniert und was nicht. Einmal war eine Geschichte dabei, die zu viel Text hatte, zu textlastig war. Das wurde dann ein Problem, weil die Sprechblasen zu viel Platz einnahmen. Da mussten wir den Text kürzen, damit die Zeichnungen auch noch Platz hatten!
Dann einmal andersherum gefragt: Welche Geschichte, die du zeichnen musstest, gefiel dir am besten?
Von der Idee der Geschichte gefällt mir:
Da geht es darum, dass sich Donald aus Liebeskummer sein Gedächtnis
löschen lässt, um Daisy zu vergessen. Und dass Daisy dann trauert,
weil er sie nicht mehr beachtet. Die Idee hat was.
In welchem deiner – bislang leider nur elf – Comics gefallen dir deine eigenen Zeichnungen am besten?
Wahrscheinlich die drei hier:
Und zu guter Letzt: Du arbeitest auch im Trickfilm. Inwieweit sind
sich Comics und Trickfilm ähnlich, und welche Unterschiede gibt es?
Eigentlich sind beide Bereiche verwandt. Die Comics ähneln den Storyboards, die vor jedem Trickfilmprojekt gezeichnet werden und die Szenen erst einmal visualisieren.
Der Unterschied ist, dass ich in der Animation mehr mit
physikalischen Gesetzen arbeite, zum Beispiel muss die Figur Masse,
Gewicht, Balance haben. Da brauche ich mehr Zeichnungen, um das
glaubhaft zu vermitteln. Beim Comic reicht dagegen nur eine Pose.
Comics werden auch in der Regel allein beziehungsweise von einer
Handvoll Leute erstellt, aber an einem Trickfilm arbeiten um die 150
Künstler aus den verschiedensten Bereichen wie zum Beispiel
Sound-Designer, Sänger, Maler… Im Grunde sind Comics vom Ablauf
her ähnlich, aber in einem kleineren Rahmen, und auch nicht so teuer
wie Animation. Dafür muss man bei Animation mehr Kompromisse
eingehen, weil man so viele Arbeitsschritte durchlaufen muss, bevor
eine Szene fertig ist. Da ist es schon angenehm, dass ich bei den
Comics mehr Handlungsspielraum habe.
Vielen Dank für das Gespräch, Fabian!
Ein Dankeschön auch an Topolino für das Korrekturlesen.